Welche Menschen inspirieren Sie? Und warum? Mich inspirieren Personen, die nach ihren Werten leben, sich einer grösseren Sache verschreiben und Spuren hinterlassen. So wie der amerikanische Informatik-Professor Randy Pausch. In amerikanischen Universitäten gibt es die Tradition der «Last Lectures». Das sind Vorträge, bei denen die Professoren nicht ihr Fachwissen, sondern ihre Lebenserfahrungen mit den Studierenden teilen. Als Randy Pausch 2007 für eine solche «Last Lecture» zusagte, wusste er bereits, dass für ihn das Motto wortwörtlich galt.
Der 46-jährige Vater von drei kleinen Kindern war unheilbar an Krebs erkrankt. Dass die Ärzte ihm nur noch wenige Monate gaben, sah man ihm auf dem Podium nicht an. Das Thema seines Vortrags war «Deine Kindheitsträume wirklich wahr werden lassen». Er erzählte von den Menschen, die an ihn glaubten, von den Träumen, die wahr wurden und was er beim Scheitern gelernt hat. Das Wissen darum, nur noch wenig Lebenszeit zu haben, hat Randy Pausch erkennen lassen, was ihm wirklich wichtig war.
Als Kind spielte er gern Fussball und hatte den Traum, später mal in der National Football League zu spielen. Einmal war sein Trainer mit Randys Leistung überhaupt nicht zufrieden. Ein Assistenz-Trainer meinte daraufhin zu dem erschöpften Jungen: «Coach Graham hat dich heute hart drangenommen. Das ist gut. Denn wenn du etwas nicht gut machst und niemand macht sich die Mühe, es dir zu sagen, dann bist du am falschen Ort. Deine Kritiker sind die Menschen, denen du wichtig bist und die dich weiterbringen wollen.»
Nachdem Randy sein Informatik-Studium abgeschlossen hatte, riet ihm ein Mentor, an der Uni zu bleiben: «Du bist so ein guter Verkäufer. Eine Firma würde dich sofort in den Vertrieb stecken. Du solltest etwas Sinnvolleres ‹verkaufen›: Bildung.» So wurde aus Randy ein ambitionierter und sehr von sich selbst überzeugter Doktorand. Eines Tages nahm ihn ein älterer Professor zur Seite: «Randy, es ist ein Jammer, dass dich die Leute so arrogant finden, denn du könntest viel in deinem Leben erreichen. Aber das wird dir Grenzen setzen.» Dieses Feedback prägte Randy sein Leben lang.
Für Randy sind Mauern dazu da, andere Leute fernzuhalten – diejenigen, denen ihre Ziele nicht wichtig genug sind. Uns bieten sie die Möglichkeit zu zeigen, wie ernsthaft wir etwas wirklich wollen. Das erfuhr er, als er sich zunächst erfolglos bei Disneyland bewarb und als er sich unsterblich in Jai verliebte. Diese liess Randy eine Weile zappeln, bevor sie sich auf eine Beziehung und später auf die Ehe mit dem exzentrischen Charismatiker einliess.
Viel mehr als das bevorstehende Sterben bedrückte Randy die Tatsache, dass er nicht erleben würde, wie seine Kinder aufwuchsen. So vieles wollte er ihnen noch auf den Weg mitgeben. Wenn sich im Teenageralter die ersten Beziehungen anbahnen, würde er seiner Tochter raten: «Hör nicht so sehr auf das, was dir ein Mann sagt. Achte nur darauf, was er tut.»
Was uns das Leben lehrt
Trotz seines Schicksals strahlt Randy beim Erzählen eine Lebensfreude aus, die ansteckt. Woher nahm er die Kraft? Randy ist dankbar für die Zeit, die ihm noch blieb und für seine glückliche Kindheit. Seine Eltern hatten ihm Freiraum gegeben für seine Neugier, seine Kreativität und seine Träume. Zum Beispiel indem sie ihm erlaubten, die Wände seines Kinderzimmers zu bemalen.
Mehrmals nutzt Randy in seinem Vortrag den Begriff «Head Fake», auf Deutsch: Täuschung. Ein Beispiel: Kinder gehen in einen Verein, um Spass zu haben und um eine Sportart oder ein Musikinstrument zu lernen. Dabei lernen sie viel mehr, als ihnen bewusst ist: trotz Rückschlägen an einer Sache dranzubleiben, Verantwortung zu übernehmen, Hilfsbereitschaft. Am Ende seiner fesselnden Erzählungen fragt Randy sein Publikum: «Habt ihr den letzten ‹Head Fake› bemerkt? Dieser Vortrag war gar nicht für euch. Er war für meine Kinder.»
Erstveröffentlichung im Mamablog am 14. Juni 2021.